Alltagskultur als Nukleus des Viertels und der Ausstellung
Im Bahnhofsviertel zeigt sich also allen Orts eine engagierte wie unternehmungsfreudige Stadtgesellschaft. Auf der Kölner Straße nahe des Worringer Platzes trifft sich eine kleine Weltengemeinschaft im internationalen Haarsalon Nasty Cut von Akwasi Adu-Gyamfi und Yaw Asante. Mit an Bord ist auch die Musikerin und Tänzerin Justina Advoa-Adu. Kulinarische Highlights wie das marokkanische Restaurant La Grilladine und die Läden um die Ellerstraße, aber auch der wunderbare Waschsalon mit integriertem Friseurstudio von Momodou Jallow am Dreiecksplätzchen, in dem zur Ausstellung Neïl Beloufa mit einer Arbeit gastiert, zeigen, wie sich die Menschen des Viertels auf verschiedenste Weise hier kreativ eingerichtet haben. Dies auch an vordergründig widrigen Orten wie der Mintropstraße, wo einen das Sahara Hamam von der unwirtlichen Straße weg geradewegs in einen orientalischen Traum aus visuellen, olfaktorischen und massagelastigen Genüssen entführt. Menschen wie der Polizist Dirk Sauerborn, der einem in wunderbaren Stadtführungen zu einem profunden Verständnis der Lebensumstände hier verhilft, oder Khalifa Zariouh, der sich als langjähriger Eismeister der DEG für einen Marokko-Tag stark macht und dessen Söhne heute die Fahrschule „Abgefahrn“ besorgen, geben dem Viertel zudem menschliche Größe.
Am Ende der Mintropstraße, in der auf dem Hof von Elektro Müller das Tonstudio der Band Kraftwerk lag, machte sich einst das Solid Gold auf, den Tabledance dem Milieu zu entreißen und zeugt heute als eine der letzten Bars mit Rotlichtflair im gemäßigten Stil noch von der schillernden Vergangenheit des Viertels. Bars wie das Ellington als wohl beste Cocktailbar der Stadt und das Scheuren 12 als klassische Stadtteilkneipe mit Transgender- Touch geben dem Viertel dazu einen Hauch von Nachtlebensqualität.
Die Gegend in Richtung Innenstadt, wo sich diakonische Projekte wie das zu altersgerechtem Wohnen unter der Leitung von Neele Behler, die Bahnhofsmission Düsseldorf oder Stadtteilinitiativen wie der Projektraum „Park-Kultur“ von Roland Ermrich, genauso engagieren wie die schwule Community, das Gerhart- Hauptmann-Haus als Ort der osteuropäischen Migranten oder ganz einfach Anlieger und Interessengemeinschaften wie die ISG Graf-Adolf-Straße, die im Stage 47 Design- Hotel zum Projekt eine Ausstellung des Künstlers Kanjo Také zeigt, geben schon heute eine Antwort auf die anfangs gestellte Frage, wie wir Stadt heute als vielschichtigen gelebten urbanen Raum denken können. Die Anlieger des Viertels – ob alltagskulturelle Akteure, Anwohner oder kulturelle Institutionen – zeigen nämlich heute bereits Wege auf, wie die Stadt nicht vom Raum und seinem Besitz her gedacht werden kann, sondern ausgehend vom Handeln der Menschen. In zahlreichen Initiativen versuchen sie, durch Praktiken und Taktiken, Finten und Erfindungen eine subtile Lebensqualität an einem Ort herzustellen, der teils schwierig, teils überraschend, auf jeden Fall aber widerspenstig, heterogen und vielschichtig ist. In einem besonderen Teil des Projekts führen wir deshalb auf die Spuren dieser Akteure. Auf einem Rundgang finden sich viele Beispiele von Konditorei und Tabledance-Bar, Zigarrenparadies und Ladenlokal, Blumenladen und Bürgerinitiative, Waschsalon und Hamam, deren Besuch von uns mehr als empfohlen wird.