Das Kontinuum aus fast vierzig Bildern, die sich wie eine filmische Montage aus einzelnen Frames aneinanderreihen, erstreckt sich von der Fassade des Central, der Interimsspielstätte des Schauspielhauses, über die gesamte Länge des ehemaligen Postgebäudes bis zum Worringer Platz und verbindet dadurch einen fragmentierten urbanen Raum. Eine der ersten Einsichten, die das Werk vermittelt, ist die Vielschichtigkeit von Bildern und ihr hybrider, kompositer Charakter. So ist Global Desire Bahnhofsviertel Düsseldorf zugleich eine Art Werkschau, die Arbeiten der Künstlerin von den späten 1970er-Jahren bis in die Gegenwart kompiliert – Arbeiten, die ihre eigenen Titel und Geschichten haben. Ihre Quellen sind die Filmgeschichte, Kriegsbilder und Aufnahmen von Lagern aus den Nachrichten, Aufnahmen aus der Weltraumforschung ebenso wie bildgebende Verfahren, die Prozesse im Körperinneren sichtbar machen – Momentaufnahmen der prekären Verhältnisse im elektronisch vernetzten „globalen Dorf“, von dem der Medientheoretiker Marshall McLuhan bereits Mitte der 1960er-Jahre sprach. Diese Bilder werden überlagert von anderen visuellen oder sprachlichen Zeichen. Über dem gesamten Zyklus scheint die Frage zu stehen, wie Bildproduktion und Bedeutungsproduktion zusammenhängen. Global Desire I (2017) zeigt in einem verfremdeten Darstellungsmodus den nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-un mit Begleitern beim Verlassen des Amazon Fulfillment Center in Phoenix, Arizona. „Was bedeutet dieses Fragment, dieser Akt, diese Szene auf der globalen Bühne der Instanzen der einen und der anderen, aller?“, fragt Sieverding.[2] „Ein Bild“, schlug Mitchell vor, „ist kein Text, der gelesen werden will, sondern die Puppe eines Bauchredners, in die wir unsere eigene Stimme hineinprojizieren.“ Bedenkt man, dass Katharina Sieverdings künstlerische Laufbahn mit dem Bühnenbild begann und betrachtet man den räumlichen und institutionellen Bezug von Global Desire Bahnhofsviertel Düsseldorf zur Spielstätte des Central, erscheint es umso einleuchtender, dass es in der Verantwortung der Passantinnen und Passanten auf der Bühne des städtischen Raums liegt, die Bilder zum Sprechen zu bringen und zu formulieren, was sie sind und was sie wollen.
[1] Siehe die Kapitel „Was will das Bild?“, in: W. J. T. Mitchell, Das Leben der Bilder. Eine Theorie der visuellen Kultur, München 2008, S. 46–77, und „Was wollen Bilder wirklich?“, in: ders., Bildtheorie, hg. von Gustav Frank, Frankfurt am Main 2008, S. 347–370.
[2] Siehe die Informationen zu den Werken: https://www.dhaus.de/download/4397/3_2018_ks_global_desire_bahnhofsviertel_duesseldorf_2018_werkinformationen. pdf.